Quelle: DUDEN-Newsletter vom 6. März 2017
Auf dem Gebiet des geschlechtergerechten Sprachgebrauchs gibt es interessante neue Entwicklungen. Und auch Rückgriffe zu den Gebrüdern Grimm.
Die Doppelnennung femininer und maskuliner Formen ist die höflichste und eindeutigste Variante der sprachlichen Gleichstellung. Sie ist vor allem in der Anrede üblich:
- Kolleginnen und Kollegen
- Schülerinnen und Schüler
- Assistentin oder Assistent
- jede und jeder
Die häufigste und zugleich von den amtlichen Rechtschreibregeln abgedeckte verkürzte Form der sprachlichen Gleichstellung der Geschlechter war bisher die Variante mit Schrägstrich und Bindestrich:
- Mitarbeiter/-innen
- Lektor/-in
- Buchhalter/-innen
Dabei ist zwar der Bindestrich den amtlichen Rechtschreibregeln zufolge nach wie vor vorgeschrieben, allerdings wurde und wird aus typografischen Gründen häufig auf ihn verzichtet:
- Mitarbeiter/innen
- Lektor/in
Der Verwendung der Schrägstrichvariante sind aus grammatischen Gründen jedoch häufig Grenzen gesetzt. Wortpaare, bei denen die feminine Form nicht nur durch Anhängen einer Endung an die maskuline gebildet wird, lassen sich nicht einfach durch den Schrägstrich verkürzen. In solchen Fällen sollten alle Formen ausgeschrieben werden:
- Kollegen und Kolleginnen
- Beamte und Beamtinnen
- Bischöfe und Bischöfinnen
Zu beobachten ist auch, dass sich der Sprachgebrauch in letzter Zeit von starren Regeln loslöst. Aus praktischen Gründen werden Doppelformen häufig wie ein Gesamtwort behandelt und entsprechend unkompliziert flektiert:
- den Mitarbeiter/innen
- den Kolleg/innen
Asterisk und Unterstrich
Zwei weitere, recht kreative verkürzte Schreibvarianten zur Gleichstellung der Geschlechter finden sich immer häufiger, und zwar der Asterisk (das Sternchen) und der Unterstrich:
- Lehrer*innen
- Mitarbeiter*innen
- Besucher_innen
- Händler_innen
Das Sternchen – ursprünglich überwiegend im universitären Umfeld verwendet – findet man oft in Kontexten, in denen aufgrund aktueller Transgender- und Intersexualitätsdebatten nicht mehr von einem rein binären System der Geschlechter ausgegangen wird. Ähnliches gilt für den Unterstrich, den sogenannten «Gendergap». Beiden Formen gemein ist, dass sie das herkömmliche Schriftbild bewusst irritieren.
Empfohlen werden können Asterisk und Unterstrich seitens der Dudenredaktion nicht, da sie vom amtlichen Regelwerk nicht abgedeckt sind – wer sich jedoch nicht im amtlichen Kontext bewegt, wird sich mit einer dieser Lösungen vielleicht anfreunden können.
Ist die Bezeichnung «Gästin» korrekt?
Und was hat sie mit den Brüdern Grimm zu tun?
Längst hat die weibliche Emanzipation auch in die Märchenwelt Einzug gehalten – sprachlich zumindest. In der Geschichte von Ingo Siegner über den «kleinen Drachen Kokosnuss», der in die Schule kommt, begegnen uns neben vielen kleinen Drachenjungen auch Drachinnen. Sie lenken unsere Aufmerksamkeit auf eine spannende Sprachfrage, die die korrekte Bildung des weiblichen Pendants zu einem männlichen Wesen betrifft. Das ist einfach, solange wir uns mit dem üblichen Anhängen eines «-in» behelfen können. So wird aus dem Zuhörer die Zuhörerin und aus dem Kunden die Kundin.
Wie aber sprechen wir von einem weiblichen Gast?
Auch hier die übliche «in»-Form zu wählen und sich über eine Gästin zu freuen, wird von allerhöchster Sprachwahrerinstanz als korrekt bezeichnet. Im allgemeinen Sprachgebrauch aber irritiert diese Form. Dabei ist sie keineswegs weiblicher Sprachemanzipation geschuldet – ganz im Gegenteil: Gästin gehört zu den weiblichen Formen, die – wie auch die Engelin oder die Geistin – bereits im Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm aufgeführt und mit zahlreichen Belegstellen unterfüttert wurden.
Auf dem Weg vom späten 19. ins 21. Jahrhundert war sie aus der Alltagssprache verschwunden: Umso erfreulicher, dass sie jetzt wiederentdeckt wurde und ihren Sprachplatz wiedererobert.
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